10 Mythen über Trauer und was wirklich stimmt

Jan 27, 2021 | Themen rund um Trauer

Heute möchte ich meine persönliche Top 10 der hartnäckigsten Mythen rund ums Thema Trauer teilen. Denn nach wie vor kursieren gut gemeinte Ratschläge und Ansichten, die einfach Quatsch sind.

10 Mythen über Trauer – Platz 10:

Trauer = Depression

Eine Trauerreaktion hat erstmal nix mit einer Depression zu tun. Trauer ist eine komplett normale und natürliche Reaktion auf einen Verlust. Eine Depression dagegen ist eine psychische Erkrankung, die unbedingt behandelt werden sollte. Natürlich ähneln sich die Erscheinungsformen auf dem ersten Blick: Die Person zieht sich zurück, ist traurig und niedergeschlagen, hat Probleme, den Alltag zu ordnen und zu fühlt sich innerlich leer.

Der große Unterschied: Während der Trauerarbeit lassen diese Tendenzen irgendwann nach, der Trauernde schafft es, den Alltag neu zu sortieren und ins Leben zurückzukehren.

Aber: Eine schwere Trauerreaktion kann in bestimmten Fällen zu Depressionen führen. Deswegen ist es wichtig, Trauernde gut im Blick zu haben. Sollte der oben beschriebene Zustand lang unverändert andauern oder sogar noch schlimmer werden, sollte ein Arzt hinzugezogen werden.

10 Mythen über Trauer – Platz 9:

Trauer verläuft in linearen Phasen

Früher, da war man davon überzeugt, dass Trauer einen üblichen Verlauf hat. Das bekannteste Modell: Die 5 Trauerphasen nach Elisabeth Kübler-Ross: Leugnen, Wut, Verhandlung, Verzweiflung, Akzeptanz.

Heute weiß man: Trauer lässt sich in Phasen einteilen, allerdings verlaufen die nicht nacheinander, nicht chronologisch und nicht gleich. Ein neueres Modell stammt von Verena Kast: Sie spricht von vier Phasen, die völlig individuell und auch immer wieder auftreten können: Schock, aufbrechende Emotionen, Desorganisation und Reorganisation.

Modelle helfen uns, das Verhalten von Trauernden besser zu verstehen. Aber: Jede Trauer ist anders! Jeder Trauernde ist anders! Deswegen sind Trauerphasen höchstens eine Orientierung. Sie kommen nicht nacheinander, sie sind nicht gleich lang oder gleich stark – Trauer ist individuell!

10 Mythen über Trauer – Platz 8:

Trauer dauert ein Jahr

In grauer Vorzeit gab es mal ein Gesetz. Das besagte, dass Witwen nach dem Tod des Ehemanns ein Jahr lang nicht neu heiraten durften. Auch im deutschen Recht gab es diese Regelung, allerdings nur mit 10 Monaten. Unglaublich, aber wahr: Erst 1997 wurde diese Vorgabe aus dem entsprechenden Paragraphen herausgenommen.

Das bedeutet, das Trauerjahr hatte tatsächlich mal einen rechtlichen Hintergrund. Trotzdem hält sich der Mythos hartnäckig, dass auch die Trauer selbst ein Jahr dauert. Als ob wir einen inneren Timer haben, der nach genau 365 Tagen Ping macht und damit dann alles weiterläuft wie gehabt.

Wenn überhaupt das eine Jahr gesellschaftlich zugestanden wird. Viel zu oft erwartet das Umfeld, dass ein Trauernder möglichst schnell wieder zu funktionieren hat.

Trauer dauert so lang, wie sie eben dauert. Mal kürzer, mal länger. Denn jeder Verlust, jeder Mensch und jede Trauer ist anders. Deswegen gehört das Trauerjahr sowas von in die hinterste Mythos-Schublade! Mein Tipp an alle Trauernden: Nimm dir die Zeit, die du brauchst!

Der Vollständigkeit halber: Natürlich gibt es auch Fälle, in denen die Trauer pathologisch wird. Das hat allerdings nicht unbedingt mit der Trauerzeit zu tun (Experten rechnen da übrigens mit 1-2 Jahren im Schnitt, aber auch doppelt so lang ist möglich). Wenn Trauer nicht gelingt, zeigt sich das eher daran, dass der Trauernde keine Veränderungen im Verhalten, also keinen Fortschritt in der Trauerarbeit, zeigt.

10 Mythen über Trauer – Platz 7:

Weinen gehört dazu

Was wir inzwischen wissen: Trauer folgt keinem Schema. Jeder trauert anders. Es gibt genügend Menschen, die zeigen ihre Trauer nicht öffentlich. Im Alltag wirken sie stark, auf den ein oder anderen vielleicht auch emotionslos.

Aber nicht jeder muss vor aller Augen trauern. Oft genug passiert das privat, im stillen Kämmerlein. Deswegen ist auch die Annahme, jeder Trauernde müsse in Tränen ausbrechen, schlichtweg falsch.

10 Mythen über Trauer – Platz 6:

Männer weinen nicht!

Apropos Tränen. Natürlich darf in diesem Ranking das Thema Männer und Frauen nicht fehlen.

Männer haben es als Trauernde tatsächlich deutlich schwerer. Das hat erstmal nix mit der Trauer selbst zu tun, sondern eher mit den Erwartungen und der Erziehung.

Das starke Geschlecht! Männer zeigen keine Gefühle! Männer weinen nicht! Diese Jahrtausende alten Klischees verabschieden sich nur ganz langsam, selbst im 21. Jahrhundert. Und genau sie stehen trauernden Männern viel zu oft im Weg.

Sie sind viel anfälliger dafür, stark sein zu wollen, schnell wieder zu funktionieren. Liebe Männer: Tut das nicht! Lasst euren Schmerz zu und achtet gut auf euch!

10 Mythen über Trauer – Platz 5:

Ablenkung ist das beste Mittel

Dieser Spruch gehört definitiv zu den beliebtesten Ratschlägen aus der Kategorie: Gut gemeint ist nicht gut gemacht.

Ablenken – das suggeriert, sich nicht mit dem Schmerz, dem Verlust auseinander zu setzen. Stattdessen enthält dieser Satz ganz viel Verdrängung.

So schwer es auch fällt: Der Schmerz, die Emotionen und die Trauer gehören dazu und sie müssen sein. Nur so finden wir einen Weg, mit dem Verlust umzugehen und das Leben neu zu ordnen.

Ablenkung und Verdrängung funktionieren auf den ersten Blick, aber nur kurz. Die Gefühle suchen sich ihren Weg und früher oder später zeigen sie sich auf die ein oder andere Art.

Das bedeutet aber nicht, dass Trauernde sich nur und ausschließlich daheim einschließen sollen und in der Trauer zerfließen! Bewegung, Aktivität und soziale Kontakte können definitiv hilfreich sein.

10 Mythen über Trauer – Platz 4:

Du musst jetzt stark sein!

Noch so ein lapidarer und gern genutzter Satz diverser Menschen. Du musst jetzt stark sein. Am besten noch in Kombination mit: Für deine Familie. Für deine Kinder. Für deine Frau.

Niemand muss stark sein und jeder ist stark! Denn mit einem Verlust umzugehen, den Schmerz zu verarbeiten und das Leben neu zu ordnen, das braucht mehr Stärke als alles andere.

Stark sein – das bedeutet für viele: Keine Gefühle zeigen. Funktionieren. Eine Fassade aufbauen. Aber genau das gehört zur Trauer! Deswegen: Niemand muss stark sein und jeder ist stark!

10 Mythen über Trauer – Platz 3:

Du musst den Verstorbenen loslassen!

Sehr lange Zeit haben auch Experten die Meinung propagiert, dass man sich emotional vom Verstorbenen lösen muss. Diese Ansicht ist inzwischen lange überholt. Zum Glück!

Dieser Mensch war ein Teil der eigenen Geschichte, er oder sie gehört zur eigenen Biographie. Deswegen ist es völliger Quatsch zu versuchen, diesen Menschen aus dem eigenen Leben zu löschen.

Stattdessen ist es wichtig und wertvoll, eine neue Form der Bindung zu entwickeln. Die Vergangenheit als Vergangenheit zu akzeptieren, die Erinnerungen zu erhalten – das hilft beim Trauern enorm.

10 Mythen über Trauer – Platz 2:

Kinder verstehen den Tod nicht.

Dieser Punkt ist mir besonders wichtig, deswegen habe ich ihm einen eigenen Beitrag gewidmet!

Natürlich ist der Tod für Kinder ein schwieriges Thema. Trotzdem ist es unglaublich wichtig, sie kindgerecht in die Trauerarbeit einzubeziehen. Kinder sollen früh verstehen, dass Sterben etwas Normales ist und zum Leben gehört.

Wenn ein lieber Mensch gestorben ist, ist es sehr wichtig, dass sich Kinder sicher und geborgen fühlen. Auch, wenn sie nicht alles verstehen, was vor sich geht, sie nehmen alles wahr!

Deswegen muss das Thema Tod und Trauer unbedingt kindgerecht und wahrheitsgemäß besprochen und bearbeitet werden! Nur so lernen schon die Kleinsten den richtigen Umgang mit diesem wichtigen Thema.

10 Mythen über Trauer – Platz 1:

Zeit heilt alle Wunden!

Ungeschlagen und mit großem Abstand gehört dieser Satz auf Platz 1. Liebend gern wird er in sämtlichen schweren Situationen benutzt und soll vor allem eins: Vertrösten. Irgendwann wirds schon wieder besser. Irgendwann gehts dir wieder gut!

Ihr lieben Menschen, die diesen Spruch benutzen: Ich muss euch enttäuschen. Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Aber sie kann helfen. Die Zeit gibt uns die Möglichkeit, zu verarbeiten, zu wachsen und uns zu entwickeln.

Und trotzdem kann es auch nach Jahrzehnten noch weh tun, wenn wir an einen bestimmten Menschen denken. Trotzdem kann uns ein bestimmtes Lied, ein bestimmter Geruch oder ein bestimmtes Geräusch auch nach Jahren noch traurig machen.

Jetzt kommts: Das ist auch vollkommen okay! Wir müssen einen Verlust nicht vergessen oder verdrängen, um weiterzumachen. Er darf seinen Platz haben, er darf nur nicht das eigene Leben bestimmen.

Deswegen hier nochmal zum Mitschreiben: Die Zeit heilt NICHT alle Wunden! Sie ist eine Freundin, die uns hilft, einen neuen Weg zu finden, das Leben neu zu ordnen. Aber alle Wunden heilt sie mit Sicherheit nicht!